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Ausgerechnet Shakespeare

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Ausgerechnet Shakespeare


„Ausgerechnet Shakespeare...“

Im Juli 2017 fand die fünfte öffentliche Präsentation des Szenenstudiums der damaligen Klasse 2a am Europäischen Theaterinstitut Berlin statt.
Als ich den Titel „Shake it like Shakespeare” in der Ankündigung auf der Facebookseite des ETIs las, konnte ich nicht umhin, seufzend zu denken: „Ausgerechnet Shakespeare!”. Ich hatte mir ganz fest vorgenommen, dieses Szenenstudium zu besuchen. Das letzte Mal hatte ich die Studenten vor einem Jahr auf der Theaterbühne gesehen und ich war schon ziemlich neugierig, wie sie sich seitdem entwickelt hatten. Aber ausgerechnet Shakespeare? Seit ich mich damals im Englisch-Leistungskurs quasi durch seine Werke gequält habe, gehören diese nicht unbedingt zu meiner favorisierten Literatur. Aber gut, in der Ankündigung stand ebenfalls, dass die Studenten Szenen aus „Richard III“, „Macbeth“, „Viel Lärm um nichts“ und „Maß für Maß“ präsentieren würden, was bedeutete, dass Dreiviertel der Szenen nicht zu jenem Stoff gehörten, den ich nicht in besonders angenehmer Erinnerung hatte. Ich beschloss also, die ganze Sache völlig vorurteilsfrei anzugehen und wie geplant nach Berlin zu fahren, um mir das Szenenstudium anzusehen.



Die Zuschauerreihen in dem verdunkelten Saal waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Kaum Kulisse, wenig Requisiten – und dann „ausgerechnet Shakespeare“ – dachte ich wieder, dieses Mal allerdings schon fast ein wenig mitleidig. Ich stelle es mir ungeheuer schwer vor, unter diesen Bedingungen zu spielen, den Zuschauer mitzunehmen in das jeweilige Stück, ihn den Szenen folgen zu lassen und seine Fantasie so anzuregen, dass das minimierte Äußere auf der Bühne sich in seinem Kopf zum Gesamtbild zusammenfügt.
Den Studenten auf der Bühne gelang das – in meinem Kopf entstanden gleich zu Beginn der ersten Szenen von „Macbeth“ Bilder und ich spürte schon nach kurzer Zeit, dass ich tatsächlich von Shakespeare irgendwie gefangenen genommen wurde.
Während ich noch in Gedanken der Tragödie rund um „Macbeth“ nachhing, musste ich mich nahtlos in das nächste Drama einfinden. „Richard der Dritte“ zog die Zuschauer in den Bann. Hatte ich vorher auch schon gespürt, dass mich Shakespeare langsam aber sicher gefangen nahm, so war ich nun voll und ganz von Richard dem Dritten gefesselt. Daniel spielte den skrupellosen Unsympathen so eindrucksvoll, dass ich fast erleichtert war, als es nach diesen Szenen erst einmal in die Pause ging.

Meine Gedanken nahm ich dorthin mit und ich fragte mich, wie es sein konnte, dass ich dieser niederträchtigen und charakterlosen Figur „Richard“ so etwas wie eine gewisse Empathie entgegenbrachte.
Eine Antwort auf diese Frage fand ich später bei keinem Geringeren als Sigmund Freud. In seinen „Gesammelten Werken“ Band 1 setzt sich Freud mit dem Eingangsmonolog des Dramas auseinander, beschreibt Shakespeares dichterisches Vorgehen dabei: „(…) Richard scheint nichts anderes zu sagen als: Ich langweile mich in dieser müßigen Zeit und ich will mich amüsieren. Weil ich aber wegen meiner Missgestalt mich nicht als Liebender unterhalten kann, werde ich den Bösewicht spielen, intrigieren, morden und was mir sonst gefällt. Eine so frivole Motivierung müsste jede Spur von Anteilnahme beim Zuschauer ersticken, wenn sich nichts Ernsteres hinter ihr verbärge. Dann wäre aber auch das Stück psychologisch unmöglich, denn der Dichter muss bei uns einen geheimen Hintergrund von Sympathie für seinen Helden zu schaffen verstehen, (…)“ und weiter „(…) Es ist aber eine feine ökonomische Kunst des Dichters, dass er seinen Helden nicht alle Geheimnisse seiner Motivierung laut und restlos aussprechen lässt. Dadurch nötigt er uns, sie zu ergänzen, beschäftigt unsere geistige Tätigkeit, lenkt sie vom kritischen Denken ab und hält uns in der Identifizierung mit dem Helden fest. (…)“ Meine widersprüchlichen Empfindungen waren also durchaus nicht bedenklich, sondern einfach darin begründet, dass Daniel in der Rolle des Richard beim Zuschauer genau die Wirkung erzielt hatte, wie es von Shakespeare der Figur zugedacht war.



Doch zurück zum ETI: Nach der Pause sahen sich die Zuschauer zunächst in Szenen des Shakespeare Stückes „Maß für Maß“ dem inneren Konflikt der Schwester Isabella ausgesetzt und durchlebten mit ihr gemeinsam den moralischen Zwiespalt, in dem sie steckte.
Weniger dramatisch endete dann die „Shake it like Shakespeare“-Vorstellung mit Szenen aus der Komödie „Viel Lärm um nichts“. In der Ankündigung für diesen Abend hatte gestanden:
„Die SchülerInnen des ETI erkunden im letzten Trimester ihres zweiten Jahrgangs dank Shakespeare die Tiefen der dramatischen Figuren.
In Leder und mit Dolchen handeln sie aus Liebe, Eifersucht und Hass, kämpfen um Macht und Würde, Moral und Wertvorstellungen, Rache und
Gerechtigkeit. (…)“ - Ja, genau das hatten die Studenten getan – und zum Schluss haben sie mit den vor Wortwitz und Schlagfertigkeit nur so sprühenden Dialogen bewiesen, dass Shakespeare bei aller Tragik und Dramatik durchaus auch seine humorvollen Seiten hatte.

Mein Fazit zu diesem Abend: Es war sehr spannend zu erleben, wie sehr sich die Schauspiel-Studenten innerhalb des vergangenen Jahres weiterentwickelt hatten – und es wird noch spannender sein, den einen oder anderen von ihnen später einmal auf einer Theaterbühne außerhalb der Schauspielschule zu erleben! Darauf freue ich mich schon heute.


Text: P. Grabienski

(c)
Fotos: ETI Berlin / Hoda El-Sharkawy, Anja D. (vom 03.09.2017), Anja D. (vom 03.09.2017)


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